„Traum“-haftes Hundeglück

Die Uhr zeigt eine halbe Stunde vor Mitternacht und Bröckel’s gehen – müde vom Tagwerk – schlafen.

Vorher wird den Hunde-Hoheiten natürlich noch mal die Tür geöffnet, damit sie nötige Geschäftchen erledigen, bevor wir uns unter der warmen Bettecke verkrochen haben.

Die Bommeline pieschert und kommt – natürlich in Erwartung eines Betthupferls – danach sofort wieder mit Micha zusammen ins Haus. Braver Hund!

Elvis nutzt die Gelegenheit jedoch, noch mal auf Tour zu gehen und macht sich in der Dunkelheit vom Acker. Micha schickt mich vor die Tür, um auf den King zu warten – das könnte daran liegen, dass es regnet.

Nach gefühlten 10 Minuten bedaure ich, keine Jacke angezogen zu haben, denn ich beginne zu frieren und mein Pullover wird merklich feucht – aber noch ist kein Elvis in Sicht.

Weitere fünf Minuten später ist mir nicht nur kalt und nass, sondern ich beginne auch so langsam einen ausgewachsenen Groll auf meinen sonst so geliebten Hund zu schieben, den es nicht die Bohne interessiert, dass sein Frauchen auf ihn wartend im Regen steht.

Ich beschließe ihn zu suchen – nicht dass ich annehme, er könnte von der Fahne gegangen sein, aber ich kenne ja meine Pappenheimer und weiß, dass Elvis solche nächtlichen Ausflüge liebt und sie auch gerne so lange als möglich auskostet.

So tapse ich also durch die Nacht, stelle fest, dass es extrem dunkel ist, wenn die Wolken den Mond verdecken und ich mit großer Wahrscheinlichkeit meinen Hund nicht sehe, wenn ich die Hand vor Augen schon kaum erkennen kann. Im Prinzip könnte ich das aussichtslose Unterfangen an diesem Punkt der Erkenntnis abbrechen und hoffen, dass der King bereits vor der Haustür auf mich wartet. Statt dessen kämpfe ich mich durch die Finsternis über das tiefe, aufgeweichte Geläuf des Reitplatzes und versuche es mal mit Rufen. Was immer ich erwartet hatte, damit zu erreichen – ich erkenne, die Hoffnung stirbt zuletzt … und ich beerdige sie auch relativ schnell, denn mein Hund, der sonst so geliebte, überhört meine Ansagen an ihn geflissentlich und geht weiter seinem Vergnügen nach, während mein Pullover seinen Aggregatzustand von feucht zu nass wechselt und ich nun auch noch bedaure, nur Hausschlappen, statt wasserdichter Gummistiefel zu tragen, als ich selbige in einer Pfütze ertränke, in die ich trete, weil ich nicht nach unten schaue, wohin ich meine Füße setze, sondern angestrengt in die Ferne starre.

Meine Zehen werden langsam so taub wie mein Hund, denn die Kälte kriecht aus den nassen Schlappen durch die Socken und raubt meinen Füßen schon jedwedes Gefühl – dafür wächst ein anderes in meinem Bauch: Mein Groll!

Ich turne durch die Latten des Weidezaunes, bleibe mit einem meiner abgefrorenen Füßen hängen und lande in einem von den Pferden aufgewühlten Matschloch auf der anderen Seite. Während mir mal wieder Gedanken hege, die was mit einem rumänischen Tierheim zu tun haben, hechelt mir der verschollene Hund seine Freude darüber ins Ohr, mich hier getroffen zu haben. Ich hingegen bin noch unschlüssig, ob ich mich nun freuen oder weiter sauer sein soll, beschließe dann aber, erst mal den Hund dingfest zu machen, bevor er es sich wieder anders überlegt und weiter Kaninchenlöcher inspiziert. Der Sand, der von seiner Schnauze in mein Ohr fiel, als er hinein hechelte, hat mir sein unseliges Treiben verraten.

Ich greife Richtung Nackenfell und finde … kein Halsband. Super – die Suche danach werde ich wohl auf morgen verschieben, wo mir das Tageslicht seine freundliche Unterstützung anbieten wird.

In Ermangelung des Lederriemens, an dem ich meinen Hund nun Richtung Haustür führen wollte, fasse ich einen Büschel Nackenfell – der Hund wirft sich – in Erwartung einer Sanktion – sofort auf den Rücken und bleibt vorsichtshalber auch gleich liegen. Vermutlich hat er irgendwo gelesen, dass das den Angreifer besänftigt. Mich macht das aber nun eher wütend, denn ich wollte den King ja nun nicht ins Haus tragen und vor allem wollte ich nun schnellstmöglich zurück ins Trockene und in die Wärme und hier draußen keine weitere Zeit damit verlieren, meinen Hund zum Aufstehen zu überreden.

Obwohl in meinem Kopf der Gedanke des Kurzaufenthaltes meines Hundes in einem rumänischen Tierheim noch relativ präsent ist, versuche ich meinen Groll zu zügeln und freundlich zu bleiben, um meinem Hund zu beweisen, dass er keine Sanktionen zu erwarten hat und folglich aufsteht und mitkommt. Inzwischen tut er mir ja wirklich schon wieder leid, wie er so flehentlich guckt, als würde er damit rechnen müssen, von mir verhauen zu werden und müsste mich erweichen, ihn nicht zu bestrafen.

Warum habe nun eigentlich ich ein schlechtes Gewissen? Ich bin nass und durchgefroren, weil er sich in einer regnerischen Winternacht mit Kaninchenlöchern vergnügt und mich vor der Haustür auf ihn warten lässt, bis er seiner olfaktorischen Leidenschaft ausreichend Genüge getan hat und er schafft es, mich sogar für den Gedanken bei ihm zu entschuldigen, ihm einen Kurzaufenthalt in einem rumänischen Tierheim angedroht zu haben!

Elvis merkt natürlich gleich, dass sich das Blatt gerade mal wieder zu seinen Gunsten wendet, springt auf und hüpft sogleich fröhlich um mich herum. „Juhuuu, Du bist wieder gut mit mir!“ bringt er damit zum Ausdruck und ich fühle tatsächlich meinen Groll schwinden.

Im Haus bekommt natürlich auch er seinen Keks und die Bommeline holt sich noch einen zweiten ab, denn wenn die Tüte schon mal offen ist, kann sie sich ja auch gleich noch mal zur Leckerlievergabe anstellen. Sie ist im Bezug auf die Futterbeschaffung (und eigentlich auch sonst, wenn es um die Möglichkeit der Steigerung ihres Wohlbefindens geht) ein sehr cleveres Hundemädchen, das längst kombiniert hat, dass wenn man als Erste ins Haus geht, man dafür belohnt wird und natürlich noch einen zweiten Keks abstauben kann, wenn Elvis sein Betthupferl erhält – schließlich bringe ich es ja nicht übers Herz, Elvis etwas zu geben und die Bommeline zuschauen zu lassen, wie der King kaut.

So kauen also nun beide, während ich mich von meinen durchweichten Kleidern trenne und meine Haare mit einem Frotteetuch trocken rubble.

Als ich ins Schlafzimmer komme, grunzt Micha nur unter seinem Federbettenturm vor – ich interpretiere das als einen Gutenachtwunsch an mich und sinke erschöpft auf die Matratze und schlüpfe unter die Decke. Meine Füße sind eiskalt. Also rufe ich die Bommeline und freue mich, dass sie gerne bereit ist, sich zu mir zu kuscheln und mit ihrer Körperwärme meine Zehen beim Auftauen zu unterstützen.

Mit der Bommeline auf meinen Füßen umfängt mich auch gleich die tiefe Dunkelheit des Schlafes und ich träume von einem LKW, der immer wieder anfährt, um dann sofort wieder mit quietschenden Bremsen anzuhalten. Als ich aufwache, stellt sich der quietschend bremsende LKW als Elvis heraus, der auch zu mir ins Bett möchte, aber an der Wächterin des Fußendes scheitert, die ihr Terrain verteidigt, wie Zerberus das Höllentor.

Ich schäle mich seufzend aus dem Federbett, manövriere die Bommeline in die Bettmitte zwischen Micha und mir und schaffe so Platz, damit auch Elvis bei mir schlafen kann – mir ist es ja im Grundsatz auch egal, wer mir die Füße wärmt, wobei Elvis dabei auch weniger nachtragend ist, wenn ich mich im Schlaf bewege und mich dafür nicht anknurrt – und die Bommeline fügt sich in ihr Schicksal, den Elvis aufs Bett lassen zu müssen und schiebt sich zumindest in die Position, die keinen Zweifel offen lässt, dass sie als Entschädigung für den Verlust ihres Wächterpostens am Fußende wenigstens noch ein bisschen das Fell gekrault haben möchte.

Meine Finger bewegen sich eher automatisch durch ihren Pelz, denn ich schlummere Sekunden später schon wieder weg.

Mein nächster Traum führt mich auf den Ozean, über den ich mit einem Segelboot schippere, das sich auf den Wellen auf und ab bewegt. Wie ich so aufs Meer schaue, kommt plötzlich ein Sturm auf und ein Balken des Segels löst sich und schlägt mir in den Magen … tatsächlich merke ich, als ich aufwache, dass es der Bommeline im Bett zu warm geworden war und sie den kürzesten Weg über meine Mitte wählte, um sich ein kühleres Schlafplätzchen zu suchen. Mir ist aber nun schlecht, nachdem sie mir mit einer ihrer Pfoten in meinen Solar Plexus trat und so liege ich erst mal wach und lausche Michas gleichmäßigem Schnarchen, bis ich wieder in einen neuen Traum eintauche.

Diesmal stehe ich vor einem Waschbecken, durch dessen Abfluss das Wasser langsam weggurgelt, aber weil offensichtlich das Rohr verstopft ist, steigt das Wasser schneller an, als es abfließen kann – bevor mich die Panik erfasst, erwache ich zum Glück und stelle fest, dass Elvis mit einem in die Höhe gestreckten Hinterbein auf der Matratze liegt und sich dabei hingebungsvoll seine Kronjuwelen leckt. Das schnorchelnd-gurgelnde Geräusch entsteht, weil er seine Nase dabei so fest in sein Bauchfell drückt, dass er über den Weg kaum noch Luft bekommt und durch sein Maul atmen muss, das aber eigentlich schon mit der Hodenschlotzerei ausreichend beschäftigt ist.

Ich schubse ihn ganz leicht mit dem Fuß an, damit er aufhört und er schaut daraufhin so beleidigt, dass ich abermals ein schlechtes Gewissen bekomme – obwohl ich mir, genau genommen, keiner Schuld bewusst sein müsste, weil ich ja auch nicht aufgewacht wäre, hätte Elvis nicht plötzlich und mitten in der Nacht das dringende Bedürfnis verspürt, sein Familienglück abzuschlabbern.

Erwähnte ich, dass Elvis nicht nachtragend ist?

Er brummt und grunzt noch ein bisschen vor sich hin und dann schlafen wir beide wieder ein … bis ich wieder in meinem LKW-Traum lande, in dem die Bremsen so laut quietschen, dass ich wieder wach werde. Elvis – nun wohl doch nachtragend, weil von meinem Bett gehüpft – steht anklagend vor seinem Schlauchboot, in dem die Bommeline es sich gemütlich gemacht hat und keinesfalls einsieht, dass sie es für den eigentlichen Besitzer räumt. Vielleicht ist das ihre verspätete Rache dafür, dass sie ihren Wächterposten am Fußende meines Bettes für ihn aufgeben musste?

Jedenfalls fordert Elvis sein Schlauchboot zurück und jammert quietschend in meine Richtung, denn eins ist sicher: „Die Muddi wird’s richten!“

Die Uhr zeigt inzwischen auch schon halb sechs und so trickse ich die Bommeline aus, indem ich sie ermuntere, mit mir zum Pieschern vor die Tür zu gehen, damit Elvis in der Zwischenzeit sein Schlauchboot wieder einnehmen kann.

Nicht dass es nicht auch die Option des Hundeschlafkissens gäbe, das Elvis eigentlich sogar lieber belegt, aber hier geht es – das ist mir klar – ums Prinzip.

Aber Elvis, der Paddel erkennt die Chance nicht, die ich ihm biete, sein Schlauchboot kampflos zurück zu erobern und will mit raus.

Aber zumindest reicht es ihm, das Bein an der Tanne zu heben und er kommt wieder mit rein, ohne dass er auf Kaninchenbauinspektionstour geht.

Drin gibt die Bommeline ihm auch noch einen Vorsprung, denn sie löscht erst mal ihren Durst am Wassereimer … aber Elvis findet, dass wenn die Bommeline trinkt, er unbedingt darauf bestehen muss, ebenfalls seinen Anteil vom Wasser abzubekommen und verspielt so die einmalige Chance, als Erster das Schlauchboot zu entern.

Aber – oh Wunder – die Bommeline zieht nun das bequeme Menschenbettenlager vor und wirft sich auf meine Matratze. Das birgt nun aber den Nachteil für mich, dass ich kaum noch Platz zum Liegen habe und weil die Kaiserin mit ihrem Gewicht auch mein Federbett in seiner Beweglichkeit blockiert, fehlt mir nun auch noch meine Zudecke. Toll!

Elvis, der nun sein Schlauchboot problemlos wieder einnehmen könnte, legt sich statt dessen aufs Hundekissen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, was denn das nun sollte: Erst zu quietschen, weil er meine Hilfe zur Rückeroberung seines Eigentums fordert und dann, wenn ich dann wegen ihm bettenlos bin, das Hundekissen vorziehen. Der spinnt doch!

Aber statt nun wütend zu sein, bin ich doch glücklich, die beiden Hunde so zufrieden und entspannt schlafen zu sehen … denn was würde mir meine ungestörte Nachtruhe nützen, hätte ich dafür mein Hundeglück nicht mehr?

Eure Sabine Bröckel – Kräuterbine