Anuschka

24.April 1986 – 26.Juli 2004


Es ist nicht, dass du nicht mehr da bist

Aber es ist, dass du nicht mehr wiederkommst

Es ist nicht, dass wir nicht mehr gemeinsam Lebensreisen

Aber es ist, dass du am Ziel bist und ich dich nicht mehr erreichen kann

Es ist nicht, dass mich dein Wiehern nicht mehr ruft

Aber es ist, dass dein Schweigen ewig ist

Es ist nicht, dass meine Hand dein Fell nicht mehr berühren wird

Aber es ist, dass meine Hand, suchend nach dir ins Leere greift

Es ist nicht, dass ich deinen warmen Atem auf meiner Haut nicht mehr fühle

Aber es ist, dass dein letzter Hauch davongetragen wurde, mit dem Wind

Es ist nicht, dass dein Platz in meinem Herzen leer ist – er bleibt dir für immer

Aber es ist, weiße Freundin, das Herz mir schwer wenn ich an dich denke

Abschied von Anuschka

Nur 19 Wochen nach Herbas plötzlichem Tod, fanden wir ihre schneeweiße Freundin morgens beim Füttern reglos in der Box. Ihr acht Tage altes Hengstfohlen von Abenteuer lag an die leblose Mutter gekuschelt und konnte nicht verstehen, warum sie denn nicht endlich aufstehen wollte, um ihn trinken zu lassen. Aber Anuschka konnte nicht mehr aufstehen – nie mehr.

Ist Gott fair? Ist das Leben fair? Niemand wird uns sagen können, warum der Herr über Leben und Tod uns nun auch noch unsere Puschi mit fortgenommen hatte.

Der herbeigerufene Tierarzt vermutete einen Lungenriss, aber eigentlich war es in diesem Moment nicht mehr wichtig, warum Anuschkas Herz nur 18 Jahre hatte schlagen dürfen, denn die Wunden und die Leere nachdem Herba in den ewigen Osten berufen wurde, waren noch so frisch und so quälend bewusst, dass uns nun die Trauer lähmte und uns war, als würde einem das Herz aus der Brust gerissen.

Aber der kleine Amaro lebte und so blieb uns nicht viel Zeit, Abschied zu nehmen und zu trauern. Das Recht des Lebenden riss uns aus unserer Verzweiflung und so sehr die Tränen heiß in den leergeweinten Augen brannten, waren wir doch diesmal nicht allein in unserem Schmerz. Für unser Waisenkind war seine kleine , heile Welt nun von einer Stunde zur nächsten zusammengebrochen und er rief voller Verzweiflung nach seiner Mutter, die so still im Stroh lag und ihm keine Antwort mehr gab. Man sagt, Tiere spüren den Tod. Amaros Wiehern war wie ein Schrei, als Anuschka abgeholt wurde. Vielleicht war ihm die Bedeutung und die Endgültigkeit des für uns alle so Unfassbaren nicht wirklich bewusst, aber sein Rufen wurde zorniger, fordernder bis wir ihn in seine Box zurückstellten. Es schien, als hätte er gar nicht damit gerechnet, seiner Mama hier wieder zu begegnen, denn er fand sich mit der Leere erstaunlicherweise ab und die Wut über die Trennung wich der Resignation. Einsam legte er sich ins Stroh, dass doch noch so warm und vertraut roch und suchte nicht mehr nach seiner Mutter, die ihn für immer verlassen hatte. Vielleicht hoffte er doch im Stillen, dass sie zurückkehren würde zu ihm in ihre gemeinsame Box, denn von Zeit zu Zeit hörten wir sein immer leiser werdendes Stimmchen anfragen. Aber Puschi hatte uns ihren Sohn nicht geschenkt, bevor sie ging, um ihn nun doch noch zu sich zu holen und so siegte zum Glück Amaros Lebenshunger über seine Trauer und auch wenn er uns stündlich bei jedem Tränken den Tod von Anuschka verdeutlichte, so lag in ihm doch ihr Vermächtnis, das sie uns hinterlassen hatte.

War er es, der sie Herba noch um 19 Wochen hat überleben lassen?

Zeit ihres Lebens bei uns hatte Anuschka immer im Schatten von Herba gestanden. Wie Yin und Yang ergänzten sie sich, Herba die Chefin und Beschützerin, Anuschka die treue Flügeladjudantin, immer an ihrer Seite. Nach Herbas Tod hat sie sich von der Herde abgesondert, stand immer allein und sehnte sich nach ihrer schwarze Freundin, die nicht mehr wieder kam. So wartete Anuschka Tag für Tag. Und Herba wartete Tag für Tag. Und als die Zeit um war, schenkte Anuschka ihrem Sohn das Leben, begleitete ihn acht Tage lang, damit er stark genug wurde, um dem scharfen Wind des Lebens die Stirn zu bieten und folgte Herba dann auf die ewige Weide.

Noch immer ist dieser Kloß im Hals, wenn man vergeblich auf der Koppel nach der Schwarzen und der Weißen Ausschau hält Aber wir sind ganz sicher, dort wo kein Koppelzaun ihren Lauf bremst und die Weide immer grün ist, da grasen sie wieder neben einander – Freundinnen im Leben und in der Ewigkeit

Wir vermissen Euch Beide.